Vielfalt und Solidarität: Differenzierte Unterstützung?

Community bedeutet oft Solidarität: Eine gemeinsame Identität zu teilen, bietet eine Grundlage für gegenseitige Unterstützung und gemeinsame Kämpfe. Diese Solidarität ist jedoch nicht immer gleich stark ausgeprägt, je nachdem, welche Gruppen innerhalb des Kürzels LGBTIQA+ betroffen sind. Wie entfaltet sich die Solidarität unter den befragten schwulen, bisexuellen und queeren Männern? Wer unterstützt welche Herausforderungen in welchem Ausmass? Unsere Forschung zeigt, dass eine grosse Mehrheit sich insgesamt solidarisch mit der gesamten Vielfalt des Kürzels LGBTIQA+ zeigt und diese Vielfalt positiv beurteilt. Diese Unterstützung ist jedoch nicht völlig einstimmig, und zwischen einigen Gruppen treten Spannungslinien auf.

Das Akronym LGBTIQA+ spiegelt eine breite Vielfalt von Existenzen wider, und die zunehmende Sichtbarmachung dieser Vielfalt ruft gemischte Reaktionen hervor. Die gute Nachricht zuerst: Die Solidarität mit dem gesamten Spektrum von LGBTIQA+ Menschen ist unter den Befragten hoch! So ist zwar die Unterstützung für die Herausforderungen schwuler Männer besonders hoch (90% geben an, dass sie sie mittelmässig oder mehr unterstützen), aber auch die anderen Gruppen erfahren eine breite Unterstützung mit etwa zwei Dritteln mittlerer oder höherer Unterstützung. Einige Themen sind jedoch weniger bekannt und führen zu weniger Solidarität: Bei Aromantik/Asexualität, Nicht-Binarität und Intergeschlechtlichkeit entscheiden sich fast 10% der Befragten dafür, keine Antwort zu geben, und etwa 20% geben an, dass sie die spezifischen Themen überhaupt nicht unterstützen.

Allgemeiner betrachtet lassen sich drei Gruppen unterscheiden: Eine erste Gruppe, die proportional jünger, städtischer und linker ist, unterstützt mit Leidenschaft das gesamte LGBTIQA+ Spektrum und erkennt sich leichter in der Queer- und LGBTIQA+ Community wieder. Sie begrüsst die Vielfalt als positiven Faktor. Eine zweite Gruppe unterstützt stark schwule Männer und zeigt eine etwas gemässigtere Unterstützung für die Themen der anderen Gruppen. Die dritte Gruppe, welche proportional älter und politisch weiter rechts angesiedelt ist, unterstützt weitgehend die Anliegen schwuler Männer, fühlt sich aber von den anderen Gruppen des Akronyms LGBTIQA+ nicht besonders betroffen. Diese Gruppe betont auch häufiger eine «schwule» Identität und gibt an, dass sie sich regelmässig von der Vielfalt überfordert fühlt.

SPEZIFISCH UND SOLIDARISCH!
Diese Spannungslinien sind nicht neu und beschäftigen Pink Cross seit langem – sie wurden unter anderem an der letzten gemeinsamen Retraite des Vorstands und des Sekretariats eingehend diskutiert. Die Analyse dieser Spannungslinien bestärkt uns in unserer Positionierung: Wir setzen uns weiterhin für eine Gesellschaft ein, in der sich schwule, bisexuelle und queere Männer, aber auch alle LGBTIQA+ Menschen frei und sicher fühlen und die gleichen Rechte geniessen. Wir setzen uns weiterhin für die spezifischen Herausforderungen von schwulen, bisexuellen und queeren Männern ein und unterstützen gleichzeitig andere LGBTIQA+ Menschen. Bei den zahlreichen übergreifenden Herausforderungen (Bildung, Gesundheit, Sicherheit usw.) arbeiten wir aktiv mit anderen Organisationen zusammen. Und vor allem fördern wir weiterhin einen aktiven Dialog zwischen den verschiedenen Gruppen, die unsere Community ausmachen, denn nur gemeinsam können wir unsere Rechte verteidigen!

Datenanalyse und -aufbereitung: Gaé Colussi, Pink Cross und das Team von Prof. Peter Streckeisen (ZHAW)

Schreiben : Gaé Colussi, Pink Cross

Deutsche Übersetzung: Simon Leutenegger, Pink Cross